Back to the roots? Neues vom Gartenring

Montag, 30. Mai 2016

Der für den motorisierten Verkehr gesperrte Gartenring am Außenministerium am 29. Mai 2016
Nein, das ist nicht Moskau 1963 während der Datscha-Saison. Nein, dieses Foto habe ich gestern aufgenommen. Da liefen wir zu Fuß von der Krimbrücke zum Arbat – mitten auf dem Gartenring (Садовое кольцо), einer der Hauptverkehrsadern Moskaus! Dort, wo normalerweise ein endloser Fluss von Autos auf zwölf Spuren dahin tost, hörte man nur ab und an das Knacken einer schlecht gewarteten Fahrradkette. Ansonsten – Stille!
Von 13 bis 17 Uhr war die gesamte Strecke von fast 16 Kilometern für den motorisierten Verkehr gesperrt und im Besitz von mehr als 30.000 Fahrradfahrern (und einzelnen Fußgängern), die an der bislang größten russlandweiten Veloparade teilnahmen. An den restlichen 364 Tagen des Jahres dagegen ist es für Fahrradfahrer nicht ratsam, sich auf dem Gartenring aufzuhalten. Fußgänger haben erst recht nichts auf der bis zu 70 Meter breiten Trasse zu suchen: Bis auf einige seltene Fußgängerampeln stehen ihnen meist nicht barrierefreie Tunnel zur Verfügung, um auf die andere Straßenseite zu gelangen.
Dabei zählte der Gartenring einst zu den schönsten Straßen der Stadt. Nach dem Großen Brand von 1812 wurde die Ringstraße als grünes Band um die Innenstadt angelegt. Hier hatten reiche Moskoviter schmucke Anwesen mit ausgedehnten Gärten – daher der Name. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden erste mehretagige Häuser. In den 1930ern war es mit der Idylle dann endgültig vorbei: Die Straße wurde asphaltiert und monumentale stalinistische Wohnblöcke verdrängten Villen und Gärten. Von da an wandelte sich der Gartenring unaufhaltsam zu der heutigen stinkenden Asphalthölle, an der man besser keine Feinstaubmessgeräte aufstellt.
Jetzt soll aber alles besser werden: In den nächsten zwei Jahren wird der Gartenring einer Schönheitskur unterzogen, die die eklatanten Fehler der 1990er Jahre beheben oder zumindest abmildern soll. Diese Maßnahme ist Teil des gigantischen Stadtgestaltungs-Projektes Моя улица (Meine Straße), das in dieser Form im Reich der schwarzen Null undenkbar wäre.

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