Die Zärtlichkeit der Völker

Freitag, 20. Mai 2016

Vorhängeschlösser in Herzform an der Lushkovbrücke in Moskau
Das letzte Wochenende hat einmal mehr gezeigt, dass der Eurovision Song Contest inklusive gewisser Kommentatoren für die Völkerverständigung eher hinderlich ist. Das muss man jetzt also auch noch selber machen! Der osteuropäischen Musikszene gelingt das ganz gut. Hier eine kleine Auswahl von MusikerInnen, die sich von Staatsgrenzen und Sprachbarrieren nicht aufhalten lassen:
Prāta Vētra: Пропуск / BrainStorm: Lücke (2015)
So ganz entkommen wir dem ESC doch nicht, denn die lettische Band BrainStorm hatte auch mal daran teilgenommen – im Jahre 2000 belegte sie den 3. Platz. Das Lied, naja, verlinke ich an dieser Stelle nicht. Dann doch lieber Maybe, A Day before tomorrow, Скользкие улицы (Glatte Straßen) zusammen mit der russischen Band Би-2 (Bi-2), Colder oder На заре (Im Morgengrauen), ein Cover der sowjetischen New-Wave-Hymne von Альянс (Allianz). Brainstorm kann auf jede Menge Hits zurück blicken, aber auch das aktuelle Album (in drei Varianten in lettischer, russischer und englischer Sprache) steckt wieder voller Lieder mit hohem Mitsing-Potential.
Ленинград: В Питере – пить / Leningrad: In Piter – saufen (2016)
Wenn Leningrad etwas veröffentlichen, ist längst nicht mehr die Musik das Spannende, sondern das dazugehörige Video. Die bösen kleinen Geschichten gehen zuweilen richtig durch die Decke, wodurch sich sogar schon eine Moskauer Galerie und ein bekannter Schuh-Hersteller zu einer Reaktion genötigt sahen. Das neuste Werk ist auch ohne Russischkenntnisse gut zu verstehen. Nur eins muss man wissen: „Piter“ ist der informelle Name von St. Petersburg. Die Alliteration w Pitere pitch funktioniert im Deutschen nicht und ist deswegen auch nicht lustig. Das Video aber schon.
მგზავრები: რამდენს / Mgzavrebi: Ramdens (2014)
Das Stück ist Teil des Albums In vino veritas. Dieser Titel ist durchaus nicht ungewöhnlich für eine Band aus Georgien. Ramdens (deutsch: Wie viele) allerdings bezieht sich nicht auf die leeren Flaschen unterm Tisch sondern beschäftigt sich mit noch Tieferem. „Wie viele Worte, wie viele Gedanken kann ein Herz aushalten?“, fragen sich Mgzavrebi (deutsch: Reisende). Und ja, darüber kann man eigentlich nur mit reichlich Wein richtig gut nachdenken.
Alina Orlova: Salome (2015)
Das dritte Album der litauischen Musikerin mit russisch-polnischen Wurzeln überraschte Kritiker und Fans gleichermaßen. Alina, die bisher als eher klassische Singer-Songwriterin bekannt war, hantierte plötzlich mit komplexen elektronischen Klängen. Der Musikzeitschrift Mojo gefiel die neue Alina. Dem kann ich mich nur anschließen.

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