Sommer in der großen Stadt

Mittwoch, 24. August 2016

Zuckerwatte essendes Mädchen mit interessierter Wespe
Womit sich die Moskoviter im Winter beschäftigen, das ist doch klar: Fellmütze tragen, Wodka trinken und Eisbaden. Doch was treiben sie im Sommer? Davon hat man im Ausland so gar keine Vorstellung. Es wird sogar angezweifelt, dass es das Thermometer überhaupt mal nennenswert über 20 Grad schafft. Die globale Klimaerwärmung jedoch sorgt auch hier für immer längere und heißere Sommer, auch wenn der diesjährige der niederschlagsreichste seit 140 Jahren ist. Was machen also die Einwohner von Moskau wenn der Asphalt glüht und die Klimaanlagen tropfen? Ich habe es heraus gefunden ...
Geschmückte Fußgängerbrücke mit Kreml im Hintergrund
Fotografieren
Von der Lushkov-Brücke im Moskauer Zentrum ist ja schon qua Namen keine stilsichere Gestaltung zu erwarten. Und dann hat sie die Stadtverwaltung auch noch zur „Liebesbrücke“ erwählt. Erfreulicherweise sind diesem Sommer die fest installierten Metallbäumchen, an die alle Ewig-Liebenden ihre Schlösser hängen dürfen, in den überbordenden Blumenarrangements kaum auszumachen. Den geflügelten Pärchenfoto-Sitzplatz jedoch umkränzt jetzt ein Riesenherz aus Kunstblumen: der perfekte Rahmen für alle Brautpaare und Foto-Junkies! Auch die Brücke vor der eigentlichen Brücke wird als romantisches Fotomotiv geschätzt.
Künstler sein
Ganz ohne Filz, dafür mit Lehm: Vor dem Museum für Zeitgenössische Kunst „Garage“ (Музей современного искусства «Гараж») darf neben sachverständigen Voluntären von diversen Kunstakademien jeder dahergelaufene Besucher am Projekt Yes von Urs Fischer mitwirken. Besonders Kinder können da kaum widerstehen.
Spektakulär Sonnenuntergang-Gucken
An warmen Sommerabenden platzt der Gorki-Park (Парк Горького) aus allen Nähten. Ideal für alle, die beim Sonnenuntergang-Schauen Publikum brauchen. AUF der Fußgängerbrücke (Пушкинский мост) über der Moskva sitzend, ist Aufmerksamkeit garantiert.
Melonen essen
Von August bis Oktober ist Melonenzeit! Überall stehen vergitterte Kioske, an deren Wänden sich riesige Melonen stapeln. Das exklusive Kaufhaus GUM am Roten Platz hat sich jedoch eine viel schönere Art der Warenpräsentation ausgedacht und befüllt den zentralen Brunnen mit dem süßen Gemüse.
„Wilde Maus“ fahren
Der Vergnügungspark in der WDNH wurde glücklicherweise stark eingeschränkt, es gibt aber noch genügend Attraktionen, auf denen man sich gut durchschütteln lassen kann. Ob die „Wilde Maus“ (Дикая мышь) noch über ein TÜV-Siegel verfügt? Vollkommen egal, denn was ist schon ein Sommer ohne Rummelplatz-Feeling? Und dann, im Wägelchen auf den Start wartend, grinst man genauso dümmlich wie damals vor 20 Jahren.
Lesen im Park
An heißen Sommertagen findet man in den großen, zentraler gelegenen Parks wie dem Gorki-Park feat. MUZEON, Park Sokolniki, Park Pobedy und der WDNH selten die nötige Ruhe zum Lesen. Geeigneter sind dann schon die Landschaftsparks von Ostankino, Ismailovo, Kolomenskoye, Kusminki, Zarizino oder Fili. Insgesamt unterhält die Stadt über 60 Parks, was für die Ökologie, die Menschen und ihre Haustiere unbedingt notwendig ist.
Zwischendurch etwas Gras
Wem die großen Parks zu weit entfernt sind, der atmet in den vielen kleinen Grünanlagen und Rasenflächen durch – und sei es nur der begrünte Hang an einer mehrspurigen Straße. Natur ist schließlich Natur! Ruhiger und gesünder ist es da auf jeden Fall, sich an den Patriarchenteichen (Патриаршие пруды) nieder zu lassen, die eigentlich nur einer sind. Dieser Ort dürfte fleißigen Lesern durch Bulgakovs „Meister und Margarita“ bekannt sein. Bei Bulgakov trieb sich hier der Leibhaftige in Gestalt eines – ist ja klar – Ausländers herum. Heutzutage gibt es hier auch sehr viele Ausländer, unter anderem weil zahlreiche Botschaften in der Nähe liegen.
Irgendwas mit Wasser
Die Lieblingsbeschäftigung der Russen ist Angeln. Eng gefolgt von Kahn und Tretboot fahren. Dabei sind die Ausmaße des Gewässers absolut unerheblich – der Teich im Gorki-Park ist sogar verhältnismäßig groß, weshalb er auch „Großer Golizinsky-Teich“ (Большой Голицынский пруд) genannt wird. Vermutlich überschreitet die reale Tiefe die Sichttiefe um nur wenige Zentimeter – trotzdem: ohne Sicherheitsweste wird hier niemand aufs Wasser gelassen.
Flanieren
Den Arbat überlassen die Moskoviter den geschäftig wimmelnden Reisegruppen aus China. Sie bevorzugen die anderen Fußgängerzonen, die in den letzten Jahren entstanden und viel schicker sind als der alte Arbat. Diese sind der Jahreszeit entsprechend mit Blumen und bunten Lichtinstallationen geschmückt, die sich hervorragend für die Beschäftigung Nummer Eins (Fotografieren) eignen. Am Abend, wenn die Büros geschlossen haben und die Temperaturen erträglich geworden sind, trifft man sich an den Hotspots rund um den Kusnezky Most (Кузнeцкий Мост), der Soljanka (улица Солянка), der Pjatnizkaya (Пятницкая улица) oder an Metrostation Tretjakovskaya (Третьяковская). Und natürlich am Boulevardring, der so populär ist wie eh und je.

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